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Bene Klima - ein Interview mit Prof. Dr. Petra Ahrweiler und Br. Prior Johannes Tebbe OSB

Kloster Nütschau erhält große Bundesförderung für Klimaanpassungsmaßnahmen

Ein Interview mit Professorin Dr. Petra Ahrweiler und Br. Prior Johannes Tebbe OSB zu den Erfahrungen rund um den Antragsprozess und die nächsten Schritte

Der Newsletter der Stabstelle Mitgliederkommunikation und Fundraising des Erzbistum Hamburg veröffentlichte folgendes Interview, das wir gerne hier mit Ihnen teilen möchten. Es geht um die bewilligte Förderung für das Haus St. Ansgar in Nütschau über das Bundesprogramm „Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen“, Rund 4,1 Mio Euro wurden für Sanierungsmaßnahmen zugesagt. Bruder Prior Johannes Tebbe OSB und Professorin Dr. Petra Ahrweiler (Johannes Guttenberg- Universität Mainz), die das Kloster in der Organisationsentwicklung berät und bei der Konzeption sowie Einreichung des Antrags maßgeblich unterstützt hat, berichten nachfolgend über die Hintergründe und ihre Erfahrungen rund um die Antragsstellung zu dieser Förderung.
Welche Bedarfe gab es bei Ihnen im Kloster Nütschau, die zu dem Antrag geführt haben?

Br. Prior Johannes Tebbe OSB: Unsere Bildungs- und Tagungsstätte dient der religiösen und sozialen Erwachsenen- und Jugendbildung mit über 16.000 Übernachtungsgästen und knapp 7000 Tagesgästen pro Jahr. Die Benediktinermönche verantworten und prägen die inhaltliche Ausrichtung und Atmosphäre der Einrichtung. Die Stichworte „Bildung, Besinnung und Begegnung“ werden in der sozialen, pädagogischen und religiösen Arbeit des Konvents und der sozialpädagogischen MitarbeiterInnen in unterschiedlichsten Formaten umgesetzt: Dazu gehören u.a.
Familienferien, außerschulische und schulische Fortbildungen, außerberufliche und berufliche Seminare, Tagesveranstaltungen, Einkehrtage, spirituelle Einzelbegleitung, Lebensberatung, Kunstausstellungen, Konzerte, öffentliche Gottesdienste, Supervision, Führungen und angeleitete Arbeitswochen in der Natur.

Das Haus St. Ansgar, die Klosterkirche mit dem Stillen Bereich, Speiseräume, Küche, das Jugendhaus St. Benedikt, das Haus Raphael, das neue große Konventgebäude und das renovierte Herrenhaus mit den umliegenden Ländereien bilden das Gebäude-Ensemble, mit dem Kloster Nütschau seinen Auftrag für die Menschen im dritten Jahrtausend wahrnehmen will.

Diese Gebäude sind nicht nur je nach Baujahr und Sanierungsgrad in unterschiedlich gutem Zustand; sie sind auch wegen ihrer jeweiligen architektonischen Besonderheiten unterschiedlich gut gegen die Folgen des Klimawandels geschützt.

So hatten wir zum Beispiel mit den vielen Flachdächern ohne Gefälle, auf denen das Wasser das ganze Jahr über in großen und kleinen Pfützen stand, erhebliche Probleme. Es gab regelmäßig Leckagen, so dass es in die Seminarräume oder Flure des Bildungshauses und des Stillen Bereichs hineintropfte. Das Wasser konnte nur langsam und nicht vollständig abfließen. Die Grundleitungen waren oft überfordert, so dass überschüssiges Wasser nicht nur auf den Dachflächen, sondern auch den Gehwegen des Klostergeländes stehen blieb und für unsere Gäste zum Hindernis wurde.
Außerdem klagten Gruppen und Einzelgäste regelmäßig während der in den letzten Jahren zunehmenden Hitzeperioden im Sommer über Stauwärme in bestimmten Seminarräumen, im Speisesaal oder in den Zimmern. In kalten Wintern hörten wir häufig, dass die Gästezimmer nicht warm genug würden. Die Dämmung der Wände und Fenster mussten an die Klimaveränderungen in Schleswig-Holstein angepasst werden, damit wir den Bedürfnissen unserer Gäste nachkommen können.

Prof. Dr. Petra Ahrweiler: Als wir über das Stabsstelle Mitgliederkommunikation und Fundraising des Erzbistums vom Förderprogramm des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) hörten, war das unsere
Chance, durch eine erfolgreiche Antragstellung zu baulichen Maßnahmen die negativen Folgen des Klimawandels für unsere Gäste und Mitarbeiter_innen spürbar zu verringern. Im BMUV-Förderprogramm “Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen” geht es um den Schutz vor zu viel Hitze in Räumlichkeiten und um den Schutz vor Feuchtigkeit in und an den Gebäuden, die durch Hitzeperioden und zunehmende Starkregenereignisse entstehen. Die genaue Passung mit unseren Bedarfen führte dann zur Antragstellung.

Wie haben Sie die Antragstellung für dieses Projekt entwickelt und was waren für Sie die wichtigsten Meilensteine auf dem Weg zur Antragstellung?

Prof. Dr. Petra Ahrweiler: Wichtig ist, dass genug Wissen, Personalressourcen und Kompetenzen zur Antragstellung vorhanden sind, denn so ein Antrag ist ein aufwendiges Unternehmen. Die Leitungsebene des Klosters hat die Antragstellung zur “Chefsache” erklärt und diese personell voll unterstützt. Meilenstein eins einer solchen Antragstellung ist die informierte Entscheidung, sich auf ein solches Antragsverfahren einzulassen.

Br. Prior Johannes Tebbe OSB: Glücklicherweise hatten wir vor der Antragstellung gerade einen Prozess in Organisationsentwicklung (OE) unter ehrenamtlicher Begleitung von Frau Prof. Ahrweiler hinter uns. Dabei wurde auf Kloster Nütschau als Organisation in einer Umwelt geblickt: Eine OE schaut auf die Entstehung und Vergangenheit der Organisation, um das historische Gewordensein zu verstehen. Sie untersucht die gegenwärtige Situation, um den Wandlungsdruck zu analysieren, der aus der Umwelt und aus dem Inneren der Organisation auf diese ausgeübt wird, und sie blickt auf die Zukunft, um die Entwicklungserfordernisse und -möglichkeiten der Organisation im Zusammenspiel inhaltlicher, ökologischer, ökonomischer und sozialer Aspekte zu identifizieren.

Die Pandemie und die damit zusammenhängenden Lockdowns mit wenigen oder gar keinen Gästen hat uns Freiraum für eine intensive Auseinandersetzung mit dem Klosterbetrieb Haus St. Ansgar und den Herausforderungen der gegenwärtigen Zeit ermöglicht. Hier wurden Grundlagen geschaffen, Kenntnisse gewonnen und Dokumente gesichtet, die später für den Antrag relevant und dann auch schnell zur Hand waren. Wir haben uns auch in einer Gruppe mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandergesetzt. Diese Gruppe hat zusammen mit einem Beraternetzwerk aus den Bereichen Energie, bauphysikalische Klimafolgen für Gebäude und Außengelände, Klimawandel und Innovation, Organisationsentwicklung, Einwerbung öffentlicher Fördermittel, Betriebswirtschaft, Mitarbeiter_innengesundheit, Wassermanagement und Waldmanagement ein ökologisch orientiertes Klimakonzept entwickelt. Das Konzept haben wir „BENE KLIMA“ genannt, weil das so gut zu einem Benediktinerkloster passt.

Dieses Konzept war die Grundlage für unseren Antrag. Meilenstein zwei war also, genug Wissen über die eigene Einrichtung und ihre genauen Bedarfe zu haben. Dies kann natürlich auch während der Antragstellung erzeugt werden, ist aber zu jeder Zeit gut, um die Zukunftsfähigkeit der Einrichtung im Blick zu haben und flexibel auf solche Chancen wie das BMUV-Förderprogramm reagieren zu können.

Prof. Dr. Petra Ahrweiler: Ein dritter Meilenstein ist das Wissen über die genauen Bedingungen der Antragstellung in öffentlichen Förderprogrammen. Hier gibt es zwar vom Fördergeber viele Merkblätter, Richtlinien und Hintergrundinformationen. Viele der Konzepte und Zusammenhänge überfordern jedoch die einfachen Antragstellenden, die sie aber dennoch genau verstehen müssen, um zu verstehen, was für sie die Antragstellung bedeutet und welche Verpflichtungen sie bei erfolgreicher Förderung eingehen. Hier holt man sich am besten Rat, bei rechtlichen Fragen auch gegebenenfalls bei einem Fachanwalt. Gut ist natürlich, wenn schon Erfahrungen in derartigen Antragstellungen zur Einwerbung öffentlicher Fördermittel bestehen oder im Beraternetzwerk jemand ist, der oder die sich im Bereich öffentlicher Förderung durch EU, Bund und Länder auskennt.

Br. Prior Johannes Tebbe OSB: Ein wichtiger vierter Meilenstein für diesen komplexen Antrag war die aktuelle Dokumentation der Gebäudesituation in Plänen und Berechnungen für die anstehenden Baumaßnahmen an den verschiedenen Häusern.
Mit Unterstützung des Erzbistums hatten wir schon mehrere Jahre zuvor ein Architekturbüro damit beauftragen können, diese Dokumentation zu erstellen. In der OE wurde die Dokumentation zu einem realistischen Sanierungs- und Investitionsplan mit Kostenschätzungen konkretisiert. So lagen die meisten der im Antrag geforderten konkreten Informationen und Kostenberechnungen bereits vor und mussten für den Antrag nur noch angepasst werden. Dennoch gab es viele Aspekte, die in Eigenarbeit und unter externer Beratung nachgearbeitet werden mussten, um Passgenauigkeit mit den Anforderungen der Antragstellung zu erzeugen. Hier war die gute Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro auch während der Antragstellung wichtig.

Prof. Dr. Petra Ahrweiler: Die erfolgreiche Abgabe des Antrags ist dann sicherlich ein Meilenstein, der gefeiert werden kann. Für die Zeit kurz vor der Abgabe sollte man alle verfügbaren Ressourcen und viel Zeit einplanen, da dies noch einmal sehr viel Detailarbeit bedeutet.

Eine Herausforderung sind dann schließlich die sogenannten “Nachforderungen” des Fördergebers. Dies ist ein normales Verfahren im Rahmen der Evaluation des Antrags, das sich über viele Monate hinziehen kann. Die oft mehrfachen Nachforderungen erfordern geduldiges Abarbeiten der zahl- und detailreichen Fragen des Fördergebers, die in die Tiefe der abgegebenen Informationen gehen.

Welche Erkenntnisse können Sie den Leserinnen und Lesern unseres Newsletters für Ihre Fördermittelanträge, vor allem für Bedarfe im Bereich Klimaschutzanpassungen, mit auf den Weg geben und was sind Ihre nächsten Schritte?

Br. Prior Johannes Tebbe OSB: Für uns war es wichtig, in ein aktives Netzwerk von Unterstützerinnen und Unterstützern eingebettet zu sein. Das sind zum einen natürlich in erster Linie unsere Gäste und Mitarbeiter_innen, unsere Freunde und Förderer und Förderinnen, das Erzbistum mit seinen Einrichtungen und unser direktes Umfeld. Zum anderen ist das Thema Klimaschutz und Klimaanpassung aber auch ein wichtiges Thema für Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, so dass wir auf breite Unterstützung unserer Antragstellung, z.B. auf der politischen Ebene Schleswig-Holsteins, bauen konnten.

Prof. Dr. Petra Ahrweiler: Ganz praktisch: Es ist gut, aktuelle Dokumente schnell verfügbar zu haben. Bei uns waren wichtig, der aktuelle Vereinsregisterauszug, die Vereinssatzung, Baupläne, Kostenberechnungen und so weiter. Wir haben gemerkt, dass eine gute, am besten auch digitale Dokumentenverwaltung äußerst hilfreich ist.

Außerdem muss man einen langen Atem und viel Geduld haben. Dies betrifft den Zeitraum der Antragstellung, der Begutachtung, der Nachforderungen, aber auch dann den Zeitraum bis zur schriftlichen Bewilligung. Man muss sich da auf sehr viel Wartezeit einrichten.

Br. Prior Johannes Tebbe OSB: Und schließlich ist es wichtig, vorauszudenken, damit man nicht von der Bewilligung überrascht wird. Für eine Tagungs- und Bildungsstätte ist Planung wichtig. Was sind die verschiedenen Szenarien für Erfolg, Teilerfolg oder Misserfolg der Antragstellung? Was sind die jeweiligen Handlungserfordernisse oder
-alternativen? Was passiert bei Erfolg der Antragstellung? Was bedeutet das für den Gästebetrieb? Wie kommen wir unseren Verpflichtungen gegenüber dem Fördergeber nach? Was muss wann organisiert und in die Wege geleitet werden?

Hat man diese Fragen für sich rechtzeitig, das heißt am besten noch vor der schriftlichen Bewilligung, beantwortet, sind die nächsten Schritte klar. Für die Baumaßnahmen bestehen konkrete Arbeits-, Zeit- und Kostenpläne, die Bestandteil der Antragstellung waren. Diese werden innerhalb der nächsten eineinhalb Jahre implementiert und abgearbeitet. Ausschreibungen laufen, Gewerke werden beauftragt, die Bauarbeiten werden durchgeführt. Eine der antragsgemäßen Verpflichtungen gegenüber unserem Fördergeber, die wir mit besonderer Freude erfüllen, ist die regelmäßige Information der Öffentlichkeit zu unserem Vorhaben.

Link zum Newsletter: https://websites.erzbistum-hamburg.de/Newsletter/EBHH/2022/3_Newsletter_220610.php?we_objectID=15829&did=5141

Hinweis zum Programm “Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen” – Antragsmöglichkeit 2022
In diesem Jahr wird es wieder eine Ausschreibung des Programms „Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen“ geben. Wir informieren Sie gerne darüber, wenn die Ausschreibung veröffentlicht wird. Allgemeine Informationen zum Programm unter: https://www.z-u-g.org/aufgaben/klimaanpassung-in-sozialen-einrichtungen/

Herausgeber

Erzbistum Hamburg Abteilung Medien
Stabsstelle Mitgliederkommunikation und Fundraising Am Mariendom 4
20099 Hamburg

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